$N$-Vinyl-2-Pyrrolidonmonomere auf Basis biogener Carbonsäuren : Design heterogener Katalysatoren und Prozessbewertung
- $N$-vinyl-2-pyrrolidone monomers from biogenic carboxylic acids: heterogeneous catalyst design and process evaluation
Haus, Moritz Otto; Palkovits, Regina (Thesis advisor); Pich, Andrij (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2021, 2022)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2021
Kurzfassung
Aufgrund ihres Potenzials in Bezug auf nachhaltige Entwicklungsziele, insbesondere im Bereich der Treibhausgasemissionen, zieht die Nutzung von Biomasse als Chemierohstoff großes wissenschaftliches, politisches und unternehmerisches Interesse auf sich. Derzeit kann die begrenzte Auswahl chemischer Verfahren auf Basis von Biomasse (biobasiert) jedoch noch nicht mit dem integrierten Netzwerk optimierter Umwandlungsprozesse in der petrochemischen Industrie konkurrieren. Dementsprechend bleibt die Suche nach effizienten, biobasierten Wertschöpfungsketten sowie die Entwicklung der notwendigen katalytischen Materialien im Fokus aktueller Forschung. Zudem haben standardisierte Analysen zur Auswertung der wirtschaftlichen und ökologischen Einflüsse von biobasierten Verfahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die erhaltenen Ergebnisse dienen nicht nur Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, sondern offenbaren auch die Vor- und Nachteile von Biomasserohstoffen. Im geschilderten Umfeld befasst sich die vorgelegte Arbeit mit der Untersuchung einer zweiteiligen Wertschöpfungskette ausgehend von biogenen Dicarbonsäuren als Plattformchemikalien hin zu N-Vinyl-2-Pyrrolidonen (NVP), die als Monomere Anwendung finden. Dabei wird die Säure zunächst in wässriger Lösung mit Monoethanolamin und Wasserstoff zum N-(2-Hydroxyethyl)-2-Pyrrolidon umgesetzt. Dieses kann anschließend in der Gasphase zum NVP dehydratisiert werden, sodass bei ideal selektivem Umsatz lediglich Wasser als Koppelprodukt in beiden Schritten anfällt. Zusammen mit der Verwendung stabiler, heterogener Katalysatoren erlaubt dies einen besonders effizienten Zugang zu hochpreisigen, stickstoffhaltigen Monomeren ausgehend von Biomasse. In Kapitel 5.1 wird zunächst ein Überblick zum Gesamtprozess, inklusive der relevanten Reaktionsnetzwerke, der Testung kommerzieller Katalysatoren sowie der Einflüsse von Reaktionsparametern, gegeben. Aufgrund der dort präsentierten Ergebnisse wurden Ruthenium auf Aktivkohle (Ru/C, 5 gew.% Metall) und mit Natrium imprägnierte Silicate (Na2O/SiO2, Molverhältnis 1:20) als Referenzmaterialien für die erste bzw. zweite Reaktion festgelegt. Während mit diesen bereits 0,7 molNVP mol-1 Säure erhalten wurden, sind weitere Verbesserungen im Hinblick auf die Aktivität und Selektivität der Katalysatoren erstrebenswert. Insbesondere sorgt die Reduktion von intermediären Amiden bzw. Imiden im ersten Schritt der Wertschöpfungskette wegen harscher Reaktionsbedingungen (150-200 °C, 150 bar H2) für Nebenprodukte durch übermäßige Hydrierung und Oligomerbildung. Wie in Kapitel 5.2 demonstriert wird, lassen sich diese Probleme durch die Synergie von Platin und Rhenium in bimetallischen Hydrierkatalysatoren (Pt-Re/TiO2) reduzieren. Weitergehende Untersuchungen zeigten insbesondere, dass Rheniumoxide nahe bei und auf Pt0-Oberflächen durch eine Vorbehandlung des Katalysators in Wasserstoff partiell reduziert werden. Die Anzahl der so gebildeten aktiven Zentren (Pt0/ReOx-y) korrelierte nicht nur mit der Katalysatoraktivität, sondern konnte auch durch gezielte Syntheseansätze beeinflusst werden. Im Detail wurde die höchste Zentrenanzahl (CO-Pulstitration) durch die Imprägnierung einer ReOx-funktionalisierten TiO2-Oberfläche mit einem positiv geladenen Platinkomplex erreicht. Entscheidet man sich dagegen, Rhenium nachträglich auf einen Platinkatalysator aufzutragen, so wird die Zahl der aktiven Zentren durch die anfängliche Platindispersion sowie das Ausmaß der Überlagerung durch Rhenium bestimmt. Die veränderte Aktivität der bifunktionalen Zentren (Pt0/ReOx-y) im Vergleich zu Pt0 wurde in diesen Fällen an einer sinkenden CO-Aufnahme bei steigender Katalysatoraktivität sichtbar. Im Weiteren beschäftigt sich Kapitel 5.3 mit den Na2O/SiO2-Katalysatoren für den zweiten Schritt der Wertschöpfungskette. Deren chemisches Verhalten wird durch basische Zentren aus der Imprägnierung mit Natrium sowie durch Silanolgruppen (Si-OH) geprägt. Insbesondere sorgten kleine Mengen NaHCO3 über einen Ionenaustauschmechanismus für die Bildung schwach basischer Zentren (Si-ONa), hauptsächlich ausgehend von isolierten Silanolgruppen, sowie für eine deutliche Steigerung der Katalysatoraktivität. Bei weiterer Natriumzugabe stellte der graduelle Verlust an Silicatoberfläche durch den chemischen Angriff des Natriumsalzes zunächst den aktivitätsbestimmenden Faktor dar. Anschließend korrelierte der Verlust an Silanolgruppen durch fortschreitende Neutralisation mit einem weiteren Aktivitätsverlust, sodass von einer gemeinsamen Rolle der Si-OH/Si-ONa Funktionalitäten im aktiven Zentrum der Materialien ausgegangen werden muss. Zuletzt werden die gesammelten Ergebnisse in Kapitel 5.4 zu einer wirtschaftlichen und ökologischen Bewertung der vorgeschlagenen Wertschöpfungskette durch Betriebskosten- sowie Lebenszyklusanalysen zusammengeführt. Dabei zeigt die Auswertung realistischer, wenn auch vereinfachter Prozessmodelle, dass die Katalysatorauswahl eine zentrale Rolle in beiden Bewertungskategorien einnimmt. So könnte durch eine Verbesserung des Katalysators ausgehend von Ru/C eine Senkung der laufenden Betriebskosten um bis zu 27 % relativ erreicht werden (4,59 kg-1NVP vs. 6,25 kg-1NVP, bei 2,5 kg-1acid). Während diese Ersparnis bei derzeitigen Preisen für Bernsteinsäure aus Biomasse notwendig wäre, um mit dem besten fossilen Szenario zu konkurrieren, würden sich die Aussichten des vorgeschlagenen Verfahrens durch den erwarteten Abwärtstrend der zukünftigen Substratkosten verbessern. Weiterhin sorgt eine CO2-Gutschrift aufgrund der Vermeidung fossiler Emissionen für einen deutlichen Vorteil der biobasierten Produktion im Bereich der Treibhausgasemissionen. So wird der CO2-äquivalente Ausstoß pro Produkteinheit um ca. 41 % gesenkt (4,49 kgCO2 kg-1NVP vs. 7,60 kgCO2 kg-1NVP), sofern der beschriebene Pt-Re/TiO2-Katalysatorund/oder lignocellulose Biomasse genutzt werden können. Dementsprechend erscheinen weitere Forschung auf diesem Gebiet sowie Testreihen zur Prozessskalierung angebracht.
Einrichtungen
- Fachgruppe Chemie [150000]
- Lehrstuhl für Heterogene Katalyse und Technische Chemie [155310]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2022-00749
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2022-00749